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Politikzufriedenheit insgesamt leicht erholt

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Im unteren ökonomischen Drittel setzt sich ihr Sinkflug fort

Seit 2018 untersucht der Demokratie Monitor einmal pro Jahr, was die Menschen in Österreich über das politische System und die Demokratie denken. Die diesjährige repräsentative Befragung von 2.081 Menschen fand zwischen dem 30. September und dem 12. Oktober mittels Telefon- und Online-Interviews statt. Die Ergebnisse wurden am 28.11. im Rahmen einer Pressekonferenz präsentiert.

Zufriedenheit mit dem politischen System steigt etwas an, verbleibt jedoch auf niedrigem Niveau

Derzeit denken 39% der Menschen, dass das politische System in Österreich gut funktioniert.

  • Das ist ein Anstieg von fünf Prozentpunkten im Vergleich zu 2022, als die Zufriedenheit ihren tiefsten Wert seit Erhebungsbeginn erreicht hatte (34%).

Im Jahresvergleich hat sich die Zufriedenheit also etwas verbessert, sie liegt jedoch immer noch deutlich unter dem Ausgangswert von 2018: Im ersten Demokratie Monitor waren knapp zwei Drittel (64%) der Menschen davon überzeugt, dass unser politisches System gut funktioniert.

In den mittleren und oberen Etagen der Gesellschaft erholt sich die Zufriedenheit, im unteren Drittel setzt sich ihr Sinkflug fort

Das Ausmaß der Zufriedenheit hängt v.a. mit der ökonomischen Lage der Menschen zusammen, wobei im Zeitverlauf zwei unterschiedliche Entwicklungen zu beobachten sind:

Im mittleren und oberen Drittel ist die Zufriedenheit mit dem politischen System von 2020 bis 2022 erodiert. Nun kann eine erste Erholung festgehalten werden: Aktuell denken 52% der Menschen im oberen und 41% der Menschen im mittleren Drittel, dass das politische System gut funktioniert – ein Plus von jeweils sieben Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr.

Im unteren Drittel fällt die Zufriedenheit hingegen weiter. Ihr höchster Wert wurde 2018 gemessen: Im ersten Demokratie Monitor war immerhin noch die Hälfte (49%) der Menschen davon überzeugt, dass das politische System gut funktioniert, inzwischen ist es nur mehr ein Viertel (24%), das sind fünf Prozentpunkte weniger als im Vorjahr.

Vertrauen in Polizei, Justiz und Behörden weiterhin stabil

Vergangenes Jahr hat der Demokratie Monitor festgehalten, dass über einen Zeitraum von zumindest zwei Jahren das Vertrauen in jene Institutionen stark gesunken ist, denen Bürger:innen die Vertretung ihrer politischen Anliegen übergeben – dazu zählen das Parlament, die Parteien oder die Bundesregierung. Im Gegensatz dazu blieb das Vertrauen in die Polizei, das Justizsystem oder die Behörden konstant. Letzteres gilt nach wie vor:

  • Derzeit vertrauen der Polizei 75% der Menschen, der Justiz 67% und den Behörden 60% – das sind ebenso viele wie in den Jahren zuvor.

Erfahrung mangelnder Repräsentation im unteren Drittel

Erfahrungen von unzureichender politischer Vertretung sind eng an die Lebenslage der Menschen geknüpft und im unteren Drittel, wo wenig Ressourcen, niedriger sozialer Status und geringe gesellschaftliche Anerkennung zusammentreffen, am weitesten verbreitet.

  • Derzeit sind z.B. 61% der Menschen im oberen und 47% im mittleren Drittel davon überzeugt, im Parlament gut vertreten zu sein – vor einem Jahr waren es mit 37% bzw. 28% noch deutlich weniger.
  • Im unteren Drittel dachten demgegenüber bereits 2018 lediglich 26%, dass sie im Parlament gut vertreten sind, letztes Jahr waren es 23% und derzeit sind es nur mehr 16%.
  • Der Großteil des oberen Drittels (82%) und die Mehrzahl des mittleren Drittels (68%) findet inzwischen auch wieder eine Partei, die die eigenen politischen Interessen vertritt. Im unteren Drittel gilt dies nach wie vor für nicht einmal die Hälfte der Menschen.

Dies hat weitreichende Auswirkungen, nicht nur auf das Systemvertrauen: Im unteren Drittel sind derzeit nur mehr 26% davon überzeugt, mit politischer Beteiligung etwas bewirken zu können. Mit Blick auf die kommende Nationalratswahl ist an dieser Stelle daran zu erinnern, dass bereits bei der letzten Wahl 41% der wahlberechtigten Menschen im unteren Drittel ihre Stimme nicht abgeben haben – im Vergleich zu 22% im mittleren und 17% im oberen Drittel.

Stabiler Konsens: Beinahe neun von zehn Menschen von der Demokratie überzeugt

Während die Zufriedenheit mit dem politischen System und das Vertrauen in seine Institutionen aktuellen Schwankungen unterliegen, bleibt die Haltung der Menschen zur Demokratie über die Jahre hinweg stabil: Derzeit denken 86%, dass die Demokratie die beste Staatsform ist.

Meinungsunterschiede zwischen gesellschaftlichen Gruppen fallen entlang der ökonomischen Drittel und entlang der Parteipräferenz am stärksten aus. In beiden Fällen geht es jedoch nicht um gänzlich unterschiedliche Mehrheiten, sondern um graduelle Unterschiede bei weitgehendem Konsens: In jeder Gruppe – also sowohl im unteren, mittleren und oberen Drittel, als auch bei den unterschiedlichen Parteianhänger:innen – sprechen sich zumindest 80% für die Demokratie als bester Staatsform aus und jeweils zumindest die Hälfte stimmt dem „sehr“ zu.

Wunsch nach „starkem Führer“ geht zurück

Die gegenteilige Ansicht – dass es einen starken Führer geben sollte, der sich nicht um Parlament und Wahlen kümmern muss – vertreten derzeit 19% der Menschen in Österreich. Nach einem deutlichen Anstieg im Vorjahr ist die Zustimmung hierzu heuer wieder auf das Vorkrisenniveau von 2018 gefallen (im Vergleich zum Vorjahr: minus sieben Prozentpunkte).

Auch bei jenen 19%, die derzeit einem „starken Führer, der sich nicht um Parlament und Wahlen kümmern muss“ zustimmen, fällt die Entscheidung im Zweifelsfall für die Demokratie. Werden die Menschen gebeten, eine Wahl zu treffen, stimmen zwei von drei für unsere parlamentarische Demokratie, eine:r von drei für eine „Diktatur auf Zeit“.

Aber: Ein zunehmend radikalisierter, antidemokratischer Rand

Schränken wir die untersuchte Gruppe auf jene ein, die die Demokratie tatsächlich ablehnen, bleibt ihr Anteil mit jeweils etwas unter 10% über die Jahre hinweg konstant. Innerhalb dieser Minderheit hat in den vergangenen Jahren jedoch eine bedeutende Veränderung stattgefunden: Mit zunehmender Dauer der Pandemie fiel bereits 2021 eine Konsolidierung dahingehend auf, dass die Ambivalenzen in ihren antidemokratischen Einstellungsmustern geringer wurden. 

Inzwischen spricht diese Gruppe sich auch doppelt so häufig wie noch 2018 für die Einschränkung demokratischer Rechte aus: Jede:r vierte bis jede:r Dritte von ihnen denkt derzeit, dass die Bundesregierung die Rechte des Parlaments, die Unabhängigkeit der Gerichte, die Unabhängigkeit der Medien, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie Beteiligungsrechte einschränken sollte.

Studienautorin Martina Zandonella:„Der sich radikalisierende Rand ist eine besorgniserregende Entwicklung. Sich allein darauf zu konzentrieren, verdeckt jedoch eine zweite zentrale Erkenntnis: Auch in stürmischen Zeiten kann sich die Demokratie auf den Großteil ihrer Bürger:innen verlassen.“

Der Österreichische Demokratie Monitor wurde 2018 von SORA ins Leben gerufen und wird seitdem einmal pro Jahr erhoben. Er gibt Auskunft darüber, wie die Menschen zur Demokratie im Allgemeinen und zum politischen System in Österreich stehen. Neben der jährlichen Bestandsaufnahme berichtet der Monitor außerdem über Veränderungen im Zeitverlauf. 
Mehr: demokratiemonitor.at