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Tradition, Religion und Demokratie

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ÖIF Studie zu Einstellungen von muslimischen Jugendlichen

Im Auftrag des ÖIF haben die Forschungsinstitute think.difference und SORA unter der Leitung von Kenan Güngör 707 Jugendliche mit afghanischem, syrischem, tschetschenischem, kurdischem, türkischem und bosnischem Migrationshintergrund sowie ohne Migrationshintergrund in Wien befragt.
Die Erhebung fand im Frühjahr und Sommer 2018 sowohl telefonisch (türkisch,  kurdisch, bosnisch und ohne Migrationshintergrund) als auch persönlich (afghanisch, syrisch, tschetschenisch) statt.

Demokratische Grundhaltungen

Der von SORA durchgeführte Österreichische Demokratie Monitor zeigt für die österreichische Gesamtbevölkerung bei  rund einem Drittel teils autoritäre und illiberale Demokratievorstellungen.
Die ÖIF-Erhebung zeigt wenig ausgeprägte demokratische Haltungen vor allem bei jungen AfghanInnen und jungen SyrerInnen, mit einem Muster, das für erwachsene MigrantInnen aus autokratischen Staaten bereits bekannt ist: Sie können sich neben einem demokratischen System auch noch andere, autoritäre Staatsformen vorstellen; für sie schließt das eine das andere also nicht zwangsläufig aus.

  • Die Ambivalenzen der jungen Menschen aus Afghanistan gehen darüber hinaus:  So stellt jede/r Zweite religiöse Vorschriften über die Gesetze in Österreich, gleichzeitig hat für sie jedoch beides Gültigkeit und ihr Respekt vor den österreichischen Gesetzen ist hoch.
  • Dazu passt, dass sich viele von ihnen sowohl Österreich als auch ihrem Herkunftsland verbunden fühlen, sie sich jedoch stark als zwischen den beiden Lebensweisen hin- und hergerissen empfinden.

Demokratie und Religion

Religiosität wird von den befragten Jugendlichen teilweise über den demokratischen Staat gestellt,  und zwar dann, wenn sie für die jungen Menschen das Bedürfnis nach Zugehörigkeit erfüllt.

  • Vor allem die jungen Menschen aus Afghanistan und Syrien, jedoch auch Teile der jungen Menschen mit türkischem und tschetschenischem Migrationshintergrund haben dabei den Eindruck, von der Gesellschaft in Österreich nicht angenommen zu werden.

Welche Faktoren und Erfahrungen führen zu bzw. schützen vor einer antidemokratischen und gleichwertigkeitsfeindlichen Haltung?

  1. familiäre Sozialisation: Ein geringer sozialer Status, eine streng an Rollen und Regeln orientierte Erziehung und familiäre Gewalt erhöhen antidemokratische und gleichwertigkeitsfeindliche Grundhaltungen.
  2. Inklusion in Gesellschaft: Die Inklusion der jungen Menschen in die Gesellschaft erweist sich als wichtiger Schutzfaktor, denn: Auch Diskriminierungserfahrungen, Arbeitslosigkeit, eine geringe formale Bildung und ein homogener Freundeskreis erhöhen antidemokratische und gleichwertigkeitsfeindliche Grundhaltungen.
  3. Psychosoziale Verfassung: Von ebenso hoher Relevanz ist die aktuelle psychosoziale Verfassung der jungen Menschen: Haben sie keine Vertrauensperson und schätzen sie ihre Situation als dermaßen unsicher ein, dass sie es für sinnlos erachten, Ziele für ihr Leben zu entwerfen, steigen antidemokratische und gleichwertigkeitsfeindliche Grundhaltungen.
  4. Strenge Religiosität und autoritäre Herkunftsländer: Antidemokratische und gleichwertigkeitsfeindliche Grundhaltungen sind – insgesamt betrachtet – unter jungen Männern und streng religiösen jungen Menschen weiter verbreitet. Schließlich hängen einige dieser identifizierten Einflussfaktoren auf antidemokratische und gleichwertigkeitsfeindliche Grundhaltungen mit den (familiären) Herkunftsländern der jungen Menschen zusammen.
    Das (familiäre) Herkunftsland bestimmt außerdem mit, welchen Platz die jungen Menschen in der Aufnahmegesellschaft zugewiesen bekommen - dementsprechend wirkt es sich indirekt auch auf antidemokratische und gleichwertigkeitsfeindliche Grundhaltungen aus.

Demokratische Grundhaltungen sind erlernbar: Sie verstärken sich trotz Stolpersteinen mit zunehmender Aufenthaltsdauer

Am Beispiel der jungen Menschen mit afghanischen, syrischen und tschetschenischen Migrationshintergründen zeigt sich auch, dass Demokratie gelernt wird:  Mit zunehmender Aufenthaltsdauer in Österreich sinken antidemokratische und gleichwertigkeitsfeindliche Grundhaltungen.
Diesem Lernprozess kann eine geringe Inklusion in die Gesellschaft entgegenstehen: Vor allem die jungen Menschen mit afghanischen, tschetschenischen und türkischen Migrationshintergründen haben einen niedrigen sozialen Status, Diskriminierungserfahrungen werden häufig berichtet, Arbeitslosigkeit ist weiter verbreitet und viele von ihnen haben keine Vertrauensperson – vier Aspekte, die antidemokratische und gleichwertigkeitsfeindliche Grundhaltungen bestärken.