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Systemvertrauen auf Tiefpunkt

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Österreichischer Demokratie Monitor 2021

Zum vierten Mal berichtet der Österreichische Demokratie Monitor, wie es mit Blick auf die Bevölkerung um die Demokratie in Österreich bestellt ist. Erste Ergebnisse wurden am 14.12.2021 im Rahmen einer Pressekonferenz präsentiert. Der wissenschaftliche Endbericht wird im Frühjahr 2022 veröffentlicht.

Systemvertrauen auf tiefstem Punkt seit Erhebungsbeginn

Derzeit sind beinahe sechs von zehn Menschen davon überzeugt, dass das politische System in Österreich weniger oder gar nicht gut funktioniert.

  • Das Systemvertrauen lag bereits Anfang Oktober deutlich unter dem Wert des Vorjahres.
  • Die dann erst so richtig ins Rollen gekommene Inseraten-Affäre und der erneute Lockdown haben die Entwicklung dann noch einmal verschärft.

Vertrauensverlust in oberen Gesellschaftsdritteln

Gesunken ist das Vertrauen in allen Bevölkerungsgruppen, der Vertrauensverlust fällt im oberen und mittleren Drittel der Gesellschaft jedoch stärker aus. Dahinter stehen insbesondere Erfahrungen im Zuge der Pandemiebekämpfung:

  • So berichten für die Zeit vor der Pandemie 70% der Menschen im oberen Drittel und 57% der Menschen in der Mitte, dass bei politischen Entscheidungen auch ihre Lebensumstände berücksichtigt wurden.
  • Für die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung denken dies jedoch nur 51% des oberen Drittels und 38% der Mitte.

Studienautorin Martina Zandonella:
„Hierbei geht es nicht um ein für oder gegen die Maßnahmen. Im Vordergrund steht ein Nicht-gesehen-werden bei deren Ausgestaltung, das allen voran junge Menschen, Eltern von Kindergarten- und Schulkindern, Menschen in systemrelevanten Berufen und arbeitslose Menschen ausdrücken. Diese Erfahrung steht in engem Zusammenhang mit dem Vertrauensverlust in der Mitte und im oberen Drittel der Gesellschaft.“

Ökonomische Unsicherheit schwächt das Vertrauen nachhaltig

Im unteren Drittel der Gesellschaft ist das Vertrauen in das politische System seit Erhebungsbeginn 2018 durchgehend am geringsten. Aktuell (2021 Nov-Dez) denkt nur knapp ein Drittel (31%) der Menschen im unteren Drittel, dass das politische System gut funktioniert – im Vergleich zu 42% in der Mitte und 54% im oberen Drittel.
Mit der ökonomischen Unsicherheit gehen Erfahrungen von Ungleichwertigkeit und fehlender Repräsentation einher, die mit dem geringen Vertrauen in Zusammenhang stehen:

  • Die überwiegende Mehrzahl der Menschen im unteren Drittel fühlt sich als Menschen zweiter Klasse behandelt (84%),
  • vier Fünftel (79%) von ihnen sehen sich im Parlament nicht vertreten;
  • nur ein Fünftel (18%) erlebt zumindest hin und wieder, dass politische Entscheidungen ihre Lebensumstände mit einbeziehen.

Vertrauen infolge der „Inseraten-Affäre“ weiter eingebrochen

Ende November (Erhebung 22.11.-3.12.2021) waren rund 90% der Menschen davon überzeugt, dass die österreichische Politik ein Korruptionsproblem hat. Dabei wird Korruption nicht nur mit einzelnen Personen oder Parteien verbunden:

  • 41% der Menschen gehen davon aus, dass das, was die Chats rund um Sebastian Kurz gezeigt haben, typisch für alle Parteien ist.
  • Den Schaden derartiger Entgleisungen politischer Eliten tragen also nicht nur die direkt Beteiligten, sondern das gesamte politische System. 

Dennoch sind neun von zehn Menschen von der Demokratie überzeugt

Nach wie vor denken 88% der Menschen in Österreich, dass die Demokratie – trotz mancher Probleme – die beste Staatsform ist. Dieser Wert bleibt über die Erhebungsjahre hinweg auch weitgehend konstant. Das grundlegende demokratische Bewusstsein der Bevölkerung ist also nicht so leicht zu erschüttern.

Weit verbreitete Forderung nach Stärkung der Demokratie

Mit dem Vertrauensverlust in Bezug auf die aktuelle Ausgestaltung des politischen Systems einher geht daher in erster Linie die Forderung nach einer Stärkung unserer Demokratie:

  • Knapp zwei Drittel (64%) verlangen mehr Transparenz im Regierungshandeln.
  • Mehr als die Hälfte (56%) fordert eine grundlegende Änderung der politischen Kultur von Politiker*innen.
  • Mit Blick auf die Checks & Balances einer Demokratie sprechen sich 58% der Menschen für eine unabhängigere Justiz und 40% für mehr Oppositionsrechte aus.

Weitere Ergebnisse finden Sie in den Presseunterlagen. - Der wissenschaftliche Endbericht wird im Frühjahr 2022 veröffentlicht.

Zur Datengrundlage

Die diesjährige repräsentative Befragung von 2.003 Menschen fand zwischen dem 13. August und dem 5. Oktober mittels Telefon- und Online-Interviews statt.
Um auch die Auswirkungen der Inseraten-Affäre und der sich wieder zugespitzten Pandemie auf das Systemvertrauen einschätzen zu können, wurden vom 22. November bis 3. Dezember 500 dieser Befragten erneut interviewt.

Der Österreichische Demokratie Monitor

Der Demokratie Monitor wurde 2018 von SORA ins Leben gerufen und wird seitdem jährlich erhoben. Als fundiertes Messinstrument gibt er Auskunft darüber, wie es den Menschen mit dem politischen System in Österreich geht und wie sie zur Demokratie im Allgemeinen stehen.
SORA-Geschäftsführer Günther Ogris: „Österreich braucht fundierte und langfristige Zeitreihen zur Demokratie: einen Monitor, der regelmäßig beobachtet und frühzeitig Warnsignale erkennbar macht.“