Österreich hat gewählt.SORA analysiert die Wahl auf Basis der Daten der Wählerstromanalyse sowie der ORF/SORA/ISA Wahltagsbefragung unter 1.226 Wahlberechtigtenn, die zwischen 25. und 29. September durchgeführt wurden (zur Methodik).
Wie die Wahltagsbefragung zeigt, ist die Stimmung zwei Jahre nach der letzten Nationalratswahl durchwachsen: Je ein Drittel der Wahlberechtigten sieht seither eine positive / negative / keine Veränderung.
Nachdem vor zwei Jahren noch Zuwanderung und Asyl die am häufigsten diskutierten Themen im Wahlkampf waren, steht diesmal Umwelt- und Klimaschutz ganz vorne: 33% der Wahlberechtigten haben „sehr häufig“ über dieses Thema diskutiert.
An zweiter Stelle der Themenagenda stand die Käuflichkeit der Politik.
Die Wahltagsbefragung zeigt ausgeprägte Unterschiede im Wahlverhalten unterschiedlicher soziodemographischer Gruppen.
Bei der Nationalratswahl 2019 zeigt sich eine große Kluft zwischen jungen und älteren WählerInnen: Während ÖVP und SPÖ gemeinsam rund drei Viertel der Stimmen von Personen ab 60 Jahren erhalten haben, lagen ÖVP und Grüne bei den unter 30-Jährigen gleichauf bei je 27% der Stimmen vor der FPÖ mit 20%.
Unter ArbeiterInnen bleibt auch bei dieser Wahl die FPÖ mit 48% der Stimmen klar vor SPÖ (23%) und ÖVP (21%).
Unter Angestellten liegt die ÖVP mit 40% vor SPÖ und Grünen (je 18%).
Insbesondere die FPÖ, aber auch SPÖ und ÖVP wurden überdurchschnittlich von Personen ohne Matura gewählt.
Mit 32% sind die Grünen unter Personen mit Matura stärkste Partei (ÖVP: 31%).
Dreiviertel der ÖVP-WählerInnen haben sich schon früh für diese Partei entschieden. Rund 3 von 10 (29%) sind mit der Arbeit der türkis-blauen Bundesregierung „sehr zufrieden“, weitere 6 von 10 „ziemlich zufrieden“. Das im „Ibiza-Video“ Gezeigte hält eine Mehrheit von 54% der ÖVP-WählerInnen als Problem nur „einzelner Politiker“; 18% sehen darin ein Problem der FPÖ als Partei insgesamt. Dennoch wünschen sich nur 3 von 10 die FPÖ wieder in einer Regierung.
Gefragt nach dem „Hauptgrund“ für ihre Wahlentscheidung, nannten 18% Spitzenkandidat Kurz und weitere 13% spezifisch den Wunsch, Kurz solle Kanzler werden. Der Spitzenkandidat ist demnach im Vergleich zur Wahl 2017 als Wahlmotiv diesmal weniger dominant.
Die „inhaltlichen Standpunkte“ der Partei wurden von 18% als wichtigstes Wahlmotiv angegeben. Am meisten diskutiert haben ÖVP-WählerInnen im Wahlkampf über Gesundheit und Pflege (28% „sehr häufig diskutiert“), Wirtschaft (26%), sowie die Themen Zuwanderung, Umwelt-und Klimaschutz (je 22% „sehr häufig diskutiert“) und Sicherheit (21%).
Unter SPÖ-WählerInnen wurden diesmal die inhaltlichen Standpunkte am häufigsten als wichtigstes Wahlmotiv genannt (von 24%), mit deutlichem Abstand gefolgt vom Stammwählermotiv („wähle immer diese Partei“, 14%).
Die Top-3-Themen im Wahlkampf waren für SPÖ-WählerInnen die Käuflichkeit der Politik (43%), Umwelt-/Klimaschutz (42%) sowie Gesundheit und Pflege (41%).
Besonders ausgeprägt ist unter SPÖ-WählerInnen die Ansicht, dass das im „Ibiza-Video“ Gezeigte typisch für die FPÖ als Partei sei: zwei Drittel sind dieser Ansicht.
Auch für FPÖ-WählerInnen standen bei dieser Wahl häufig die inhaltlichen Standpunkte der Partei im Vordergrund (für 18% das Haupt-Wahlmotiv). 14 Prozent nannten als wichtigstes Motiv, dass es wieder zu einer ÖVP-FPÖ-Regierung kommen soll; 12 Prozent, dass der FPÖ Unrecht getan wurde und sie diese „jetzt erst recht“ gewählt haben.
Hinsichtlich der politischen Themen haben FPÖ-WählerInnen mit deutlichem Abstand am häufigsten über Zuwanderung (69%) und Sicherheit (54%) diskutiert, gefolgt von Arbeitsplätzen und Arbeitsbedingungen (31%). – Umwelt und Klimaschutz wurde nur von 10% der FPÖ-WählerInnen „sehr häufig“ diskutiert.
Die FPÖ-WählerInnen sind mit Abstand am zufriedensten mit der türkis-blauen Regierung (50% „sehr“, 42% „ziemlich zufrieden“), rund zwei Drittel (65%) sehen eine positive Entwicklung des Landes seit 2017.
Unter Grün-WählerInnen standen am häufigsten die Inhalte im Vordergrund ihrer Wahlentscheidung (44%), gefolgt vom „Comeback“-Motiv (16%).
Im Wahlkampf diskutierten 81% „sehr häufig“ über Umwelt- und Klimaschutz sowie je 46% über die Käuflichkeit der Politik und Bildung.
Während mit Ausnahme der ÖVP die SpitzenkandidatInnen der Parteien als Wahlmotiv eine untergeordnete Rolle spielten ist dies bei den NEOS anders: Für 19% der NEOS-WählerInnen war Beate Meinl-Reisinger das wichtigste Wahlmotiv, für weitere 18% spezifisch deren Auftritte in den Fernsehdiskussionen. 16% nannten die inhaltlichen Standpunkte der NEOS und 13% die Glaubwürdigkeit der Partei als wichtigstes Wahlmotiv.
Top-Themen für NEOS-WählerInnen waren Umwelt-/Klimaschutz sowie Bildung (je 44% „sehr häufig diskutiert“).
In einer fiktiven Direktwahl hätten 47% Sebastian Kurz als Kanzler gewählt, alle anderen Kandidaten liegen weit dahinter.
In der Wahltagsbefragung wurde auch gefragt, welche Parteien nach Meinung der Befragten in der nächsten Regierung vertreten sein sollten.
63 Prozent sehen die Demokratie als „beste Regierungsform“ („stimme sehr zu“). Das ist um 9 Prozentpunkte weniger als 2017 (72% „stimme sehr zu“) und um 18 Prozentpunkte weniger als 2013.
Nur eine Minderheit von 15% der Befragten sieht Ibizagate als „typisch für alle Parteien“, aber 28% der NichtwählerInnen sind dieser Ansicht.
Unter allen Partei-Deklarierten und in allen soziodemographischen Gruppen ist eine Mehrheit der Ansicht, dass es der Demokratie schade, „wenn Firmen und Einzelpersonen unbegrenzt Geld an einzelne Parteien spenden dürfen“. Insgesamt sind 72 Prozent der Wahlberechtigten dieser Ansicht.