Europawahl 2019

Enttäuschung / Erleichterung über Ende Koalition?

Österreich hat gewählt. SORA analysiert die Wahl auf Basis der Daten der Wählerstromanalysen sowie der ORF/SORA/ISA Wahltagsbefragung unter 1.287 Wahlberechtigten, durchgeführt zwischen 21. und 26. Mai (zur Methodik).

Wahl im Zeichen der Innenpolitik mit vielen Spätentschlossenen

Die innenpolitischen Ereignisse der letzten Tage haben diese Wahl mitgeprägt: Zwischen rund der Hälfte (ÖVP) und über 80 Prozent (FPÖ) der jeweiligen ParteiwählerInnen sagen, dass sie bei dieser Wahl auch „ein innenpolitisches Zeichen“ setzten wollten. Entsprechend hoch ist mit 22 Prozent der Anteil derjenigen Befragten, die sich erst „in den letzten Tagen“ entschieden haben (bei der NRW17 waren es insgesamt nur neun Prozent gewesen).

Die SpitzenkandidatInnen der Parteien waren hingegen diesmal vergleichsweise weniger wichtig für die Wahlentscheidung.

Ibiza-Videos und Regierungskrise als Grund zur (Nicht-)Wahl?

Ibiza-Videos und Regierungskrise waren für fast jede/n zehnte/n WählerIn (8%) der Grund, diesmal zur Wahl zu gehen.
Umgekehrt sagen rund ebenso viele Wahlberechtigte (9%), dass sie deshalb diesmal zuhause geblieben sind.

Platzen der Koalition polarisiert

Die Meinungen zum Ende der Koalition gehen nach Parteiaffinität stark auseinander: Während die WählerInnen von SPÖ, Grünen und NEOS darüber mit großer Mehrheit „erleichtert“ sind, herrscht bei rund zwei Drittel der FPÖ-WählerInnen Enttäuschung. Unter den ÖVP-WählerInnen zeigt sich mit 59 Prozent ebenfalls eine Mehrheit „enttäuscht“, 17 Prozent aber auch „erleichtert“ über das Ende der Koalition.

Mehrheit sieht EU-Mitgliedschaft positiv

Eine Mehrheit von 57 Prozent aller WählerInnen sieht die österreichische EU-Mitgliedschaft positiv. Einzig unter FPÖ-WählerInnen sind 50 Prozent (sehr/ziemlich) der Meinung, Österreich solle aus der EU austreten.

Wahlmotive

ÖVP gelingt breite Mobilisierung

Gefragt nach dem „Hauptgrund“ für ihre Wahlentscheidung, nennen je 18% der ÖVP-WählerInnen die inhaltlichen Standpunkte der Partei sowie den Spitzenkandidaten. 13% nennen Sebastian Kurz als Wahlmotiv, 10% sehen sich als StammwählerInnen.
Sieben Prozent der ÖVP-WählerInnen sagen, dass sie sich erst wegen der aktuellen Regierungskrise für diese Partei entschieden haben, darunter vermutlich vor allem Personen, die bei der Nationalrationswahl 2017 noch FPÖ gewählt hatten.
Am meisten diskutierte Themen im Wahlkampf waren unter ÖVP-WählerInnen Wirtschaft (26% sehr häufig diskutiert), Zuwanderung (24%) sowie „Umwelt- und Klimaschutz“ (22%).

SPÖ-Wahl für Soziales und als Zeichen gegen Rechts

Unter den SPÖ-WählerInnen nennen 31% Inhalte als Hauptgrund für ihre Wahlentscheidung. 11% sagen, sie wollten ein Zeichen gegen Rechts setzen. 8% haben sich erst aufgrund der aktuellen Regierungskrise für die SPÖ entschieden.
Am häufigsten haben SPÖ-WählerInnen im Wahlkampf über Sozialpolitik (49% „sehr häufig“), das Erstarken nationalistischer Kräfte in Europa (45%) sowie über Umwelt- und Klimaschutz (36%) diskutiert.

FPÖ im Zeichen von EU-Gegnerschaft und „Jetzt erst recht“

Die FPÖ hat bei dieser Wahl beinahe ein Monopol als Partei der EU-Gegner. Rund ein Viertel (24%) der FPÖ-WählerInnen nennt die inhaltlichen Standpunkte der Partei als Hauptmotiv für die Wahl, 17% den Spitzenkandidaten.
Ebenfalls ein wichtiges Wahlmotiv war der Wunsch, die FPÖ innenpolitisch zu unterstützen: 57% der FPÖ-WählerInnen stimmen „sehr zu“, dass sie ein innenpolitisches Zeichen setzen wollten. 16% sagen, dass sie überhaupt erst aufgrund der Regierungskrise zur Wahl gegangen sind.
Wichtigste Themen für die FPÖ-WählerInnen waren mit großem Abstand Zuwanderung (70% sehr häufig diskutiert) sowie Sicherheit (45%).

Grün-WählerInnen besorgt um Zukunft der EU und Erderwärmung

Auch für Grün-WählerInnen standen Inhalte im Vordergrund (47% Hauptmotiv für ihre Wahl).
Wie die Analyse der im Wahlkampf diskutierten Themen zeigt, ist dies insbesondere das Umwelt- und Klimathema (68%). 54% haben „sehr häufig“ über das Erstarken nationalistischer Kräfte in Europa diskutiert.

NEOS als Alternative für pro-europäische WählerInnen

Hauptmotive für die Wahl der NEOS waren neben Inhalten (22%) und Spitzenkandidatin (19%) auch die Glaubwürdigkeit der Partei (15%), die bisherige Arbeit in der EU, dass keine andere Partei wählbar sei sowie der Wunsch, generell pro-europäische Kräfte zu stärken (je 9% „Hauptmotiv“).
Thematisch zeigt sich die NEOS-Wählerschaft breit interessiert und diskutierte neben dem Erstarken von nationalistischen Kräften in Europa sowie Umwelt- und Klimaschutz auch über Zuwanderung, Arbeitsplätze, Wirtschaft und Sozialpolitik.

Wahlverhalten nach Bevölkerungsgruppen

Die Wahltagsbefragung zeigt bei dieser Wahl deutliche Unterschiede im Wahlverhalten unterschiedlicher soziodemographischer Gruppen.

Unterschiede nach Alter

Die ÖVP erreicht bei dieser Wahl mit 48% ihr bestes Ergebnis unter den Ab-60-Jährigen. Unter den Unter-30-Jährige haben hingegen die Grünen mit 28% eine Mehrheit vor SPÖ (22%), FPÖ (17%), ÖVP (16%) und NEOS (14%).

Wahlverhalten nach Erwerbsstatus

Unter ArbeiterInnen liegt bei dieser Wahl die FPÖ mit 50% der Stimmen klar voran. Aber auch die ÖVP kann in dieser Gruppe 25% holen, die SPÖ 17%.
Die Stimmen der Angestellten verteilen sich wie folgt: ÖVP 30%, SPÖ 23%, Grüne 17%, FPÖ 16% und NEOS 11%.

Wahlverhalten nach formaler Bildung

Die ÖVP schneidet unter Personen mit Mittlerem Schulabschluss (BMS) mit 49% besonders stark ab, ebenso mit 39% unter Personen mit Lehrabschluss.
Unter Personen mit maximal Pflichtschulabschluss liegt die ÖVP (33%) vor FPÖ (29%) und SPÖ (25%).
Männer ohne Matura haben mit überdurchschnittlich FPÖ gewählt, sie kommt in dieser Gruppe auf 37%.
Personen mit Universitätsabschluss haben insbesondere die Grünen gewählt, die in dieser Gruppe auf 30% kommen.