Internet und Demokratie in Österreich
Digitalisierung ist ein technischer und sozialer Megatrend mit hoher Relevant für Politik, Verwaltung und Demokratie. Bereits in den Jahren 2012/13 hat das SORA-Institut im Auftrag des Bundeskanzleramts eine erste Grundlagenstudie zum Thema Internet und Demokratie durchgeführt (Ringler et al 2013). Die vorliegende Studie erfüllt auf der einen Seite die Funktion eines Monitorings und beleuchtet in Zeitvergleichen wesentliche Veränderungen in der Internetnutzung und in den Einstellungen der ÖsterreicherInnen. Auf der anderen Seite wurden in das Studiendesign auch neue Fragestellungen aufgenommen, insbesondere zur Nutzung öffentlicher Informationsquellen im Netz und zur Rolle der Sozialen Medien.
Datengrundlagen der Studie sind eine Aufbereitung des wissenschaftlichen Forschungsstands, eine Analyse medialer Diskurse rund um E-Government und E-Demokratie in den Jahren 2016/17, eine repräsentative Bevölkerungsbefragung (September/Oktober 2017) sowie ergänzende, qualitative Interviews mit online-affinen Personen.
Laut jährlichen Erhebungen der Statistik Austria ist der Anteil der Internet-nutzerInnen in der österreichischen Wohnbevölkerung im Alter von 16-74 Jahren von 80% im Jahr 2012 auf 88% im Jahr 2017 angestiegen. Das Altersspektrum der InternetnutzerInnen umfasst mittlerweile die gesamte Bandbreite der österreichischen Bevölkerung.
Im Detail zeigt die vorliegende Studie:
Das Angebot an Partizipationsmöglichkeiten im Netz ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Dies spiegelt sich auch im Mediendiskurs wider: Konkrete Beteiligungsformen, wie etwa Online-Petitionen oder kommunale Be-teiligungsprojekte, nahmen 2016/17 in den Medien bereits wesentlich mehr Platz ein als noch 2012/13.
Hinsichtlich der Formen von Online-Partizipation zeigt sich international wie auch in Österreich eine große Vielfalt. Auf der anderen Seite hat sich gezeigt, dass die konkrete Nutzung von E-Partizipation in der Regel hinter dem geäußerten Interesse zurückbleibt. Zudem ist Beteiligung soziodemographisch ungleich verteilt:
Nach wie vor ist in Österreich die Teilnahme an Wahlen die am weitesten ver-breitete Form der politischen Beteiligung. Mit deutlichem Abstand dahinter folgten das Unterzeichnen einer Petition zu einem politischen Thema.
Werden über diese Beteiligungsmöglichkeiten hinaus verschiedene Formen der politischen Meinungsäußerung breiter betrachtet, zeigt sich, dass sich über acht von zehn ÖsterreicherInnen (84%) im weitesten Sinn am politischen Diskurs beteiligen, d.h. mindesten eine von 6 abgefragten Formen der Meinungsäußerung nutzen. Etwa die Hälfte (52%) ist politisch aktiver und hat bereits drei oder mehr Möglichkeiten genutzt.
Dabei spielt das Internet für einen Teil der Bevölkerung als zusätzliche Möglichkeit der politischen Aktivität eine unterstützende Rolle.
Für Deutschland haben Studien gezeigt, dass zivilgesellschaftliche Partizipa-tionsangebote, allen voran Online-Petitionen, in der Regel nur einen kleinen Kreis von UnterzeichnerInnen finden. Aber auch staatlich organisierte Online-Bürgerbeteiligung konnte in den meisten Fällen ihre Ziele – bessere Planung, mehr Akzeptanz des Verwaltungshandelns, Überwindung der politischen Legi-timationskrise – nicht erreichen.
Die vorliegende Studie legt nahe, dass in Österreich insbesondere die kommunale bzw. regionale Ebene Möglichkeiten für die digitale Kommunikation zwischen Politik und BürgerInnen bzw. für E-Partizipation bieten:
Der UN-E-Participation-Index stellt Österreich im Bereich der E-Information (online verfügbare Informationen) mit einem Wert von 94 Prozent ein gutes Zeugnis aus. Hinsichtlich der Nutzung dieser Angebote belegt die vorliegende Studie:
Dabei ist die überwiegende Mehrheit der Befragten mit den öffentlichen Infor-mationsangeboten zufrieden.
Seit der Vorgängerstudie zu „Internet und Demokratie“ aus dem Jahr 2012 haben Social Media für die politische Kommunikation deutlich an Bedeutung gewonnen. Die wissenschaftliche Literatur betont dabei insbesondere den „Push-Effekt“ von Sozialen Medien, d.h. anders als im Web 1.0 kommen die NutzerInnen im Web 2.0 über Newsfeeds und Werbung auch dann in Kontakt mit politischen Inhalten, wenn sie diese nicht selbst suchen und aktiv ansteuern.
Die Sozialen Medien eröffnen also insbesondere für AktivistInnen und profes-sionelle Kampagnen neue Möglichkeiten. Im medialen Diskurs 2016/17 wurden diese Möglichkeiten allerdings mit Blick auf aktuelle Thematiken wie Fake-News und die Manipulation von Wahlkämpfen überwiegend negativ diskutiert. Anders als noch 2012/13 ist daher der Ruf nach einer stärkeren Kontrolle bzw. Regulierung der großen Internet-Konzerne im Dienste von Medienqualität und Demokratie deutlich lauter geworden.
Dieses mediale Meinungsbild spiegelt sich auch in einer skeptischen Haltung der Bevölkerung und einem Misstrauen gegenüber politischen Informationen auf Sozialen Medien. In den im Rahmen dieser Studie geführten qualitativen Interviews (n=15) zeigt sich, dass die Befragten ihre eigene Meinung lieber nicht in Sozialen Medien kundtun. Sie präferieren klar den Austausch im Bekanntenkreis, in persönlichen Gesprächen bzw. unter Gleichgesinnten. – Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass Diskussionen und Kommentare im Web 2.0 auch in Zukunft keineswegs ein Raum für den politischen Diskurs der breiten Bevölkerung sein bzw. deren Meinung repräsentieren werden.
Nur kleine Gruppe mit regelmäßiger Nutzung politischer Informationen im Social Web
Hinsichtlich der Rolle des Social Web für den politischen Diskurs im Netz erlaubt die vorliegende Studie eine differenzierte Analyse: