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Erfahrungen aus Großbritannien

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Die britische Evidence Based Policy bilanziert im Rückblick positiv.

Wissenschaftlich basierte Politikgestaltung hat eine lange Tradition und Regieren ist heute ohne enge Beziehungen zwischen Wissenschaft und Politik nicht denkbar. Das britische Konzept der Evidence Based Policy geht jedoch weit über sporadische Auftragsforschung hinaus und meint letztlich eine grundlegende Modernisierung des Regierungsstils.

Diesen hohen Anspruch formulierte ein Papier des Cabinet Office aus dem Jahr 1999 mit folgenden Schlagworten: zukunftsorientierte Problemlösung statt Reaktion auf kurzfristigen Problemdruck; Politik als ständiger Lernprozess; Bereitschaft zur immer neuen Evaluation der Wirksamkeit gewählter Maßnahmen.

Keine einfache Beziehung

Einer, der von Beginn an den Aufbau evidenzbasierter Politik in Großbritannien begleitet hat, ist William Solesbury vom Londoner King’s College. Bereits in den 1990er Jahren war er als stellvertretender Geschäftsführer des Economic and Social Research Council für eine der größten anwendungsorientierten Forschungs- und Beratungsorganisation tätig. Auf Initiative des ESRC wurde im Jahr 1999 auch das „Evidence Network“ mit dem Ziel gegründet, die Sozialwissenschaften stärker in die Politikgestaltung zu integrieren.

Im Rahmen der SOQUA Summer School 2010 hielt Solesbury einen Seminartag zur Kommunikation zwischen Wissenschaft und Politik ab. Sein Fazit: Viele politische Innovationen gehen letztlich auf wissenschaftliche Erkenntnisse zurück. Doch in den seltensten Fällen gibt es ein wissenschaftliches „Heureka“, dem dann die unmittelbare politische Umsetzung folgt.

Britische Evidence Based Policy bilanziert positiv

Aus diesem Grund ist eine exakte Bilanzierung der Evidence Based Policy unter New Labour schwierig. Immerhin zeigen Output-Indikatoren etwa im Gesundheitswesen in beinahe allen Bereichen Verbesserungen. Ob die gestiegene Lebenserwartung, die kürzeren Wartezeiten auf stationäre Behandlungen oder die geringere Sterblichkeitsrate bei Krankheiten jedoch ursächlich auf Maßnahmen der Regierung zurückführen sind, läßt sich aufgrund der vorliegenden Daten nicht immer mit Sicherheit feststellen.

Mehr als punktuelle Auftragsforschung

Dennoch besteht weitgehend Konsens darüber, dass der verstärkte Einsatz von Evidenzbasierung durchaus ein Faktor für langfristige Verbesserungen der Situation in einem Politikfeld ist. Diese Verbesserung sei jedoch nicht zum Nulltarif zu haben, betonte der deutsche Politikwissenschaftler Uwe Jun in seinem Vortrag auf der SOQUA Summer School. Insbesondere gehe es um mehr als punktuelle Auftragsforschung, mit der bereits beschlossene Maßnahmen nachträglich wissenschaftlich legitimiert werden sollen. Sinnvolle Evidenzbasierung meine vielmehr die systematische Sammlung und praxisorientierte Aufbereitung der vorhandenen wissenschaftlichen Evidenz, die Berücksichtigung auch internationaler Best-Practice Beispiele sowie eine ressortübergreifende Zusammenarbeit bei der Problemlösung.

Interministerielle Clearingstelle

In diesem Sinn organisierte in Großbritannien beispielsweise die im Cabinet Office eingerichtete Social Exclusion Unit die Kooperation von Beamten des Gesundheitsministeriums, des Bildungsministeriums, des Ministeriums für Transport sowie lokaler und regionaler Behörden. Nach diesem Vorbild empfiehlt Uwe Jun auch für Österreich die Einrichtung einer interministeriellen Clearingstelle für Evidenzbasierung, um vorhandenes Wissen zu sammeln, aufzubereiten und politische Problemlösungen ressortübergreifend zu koordinieren. In einem zweiten Schritt könnte diese Stelle lokal und zeitlich begrenzte Modellprojekte durchführen, um innovative Lösungen zunächst in kleinem Rahmen zu erproben.
Dabei gehe es nicht darum, die Regierung durch ExpertInnen zu ersetzen, wie Günther Ogris gegenüber der APA betonte: „Die Politik muss die Fragen formulieren, sonst ist die Wissenschaft irrelevant.“